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KliFo, Market Access, Marketing: Pharma goes digital

Geschrieben von ursula.kramer am Freitag, 21. April 2017 - 15:10

In vielen Bereichen gewinnen digitale Ansätze für Pharmaunternehmen an Bedeutung. Das zeigen aktuelle Beispiele für digitale Anwendungen wie Wearables und Apps (1), die in der Durchführung klinischer Studien, zur erweiterten Nutzenevaluation von Arzneimitteln, zur Optimierung der Arzneimitteladhärenz sowie zur direkten Ansprache von Patienten in der Vermarktung von Arzneimitteln genutzt werden:

Market Access

Ziel: Das Nutzenkonzept von Arzneimitteln durch BigData-Ansätze vollständiger abbilden und damit die Datenbasis für Market Access Strategien verbessern.

  • Boehringer Ingelheim: Um neue Vergütungsmodelle für Arzneimittel entwickeln zu können, die sich am Outcome für den Patienten orientieren, müssen die Zusammenhänge zwischen der Arzneimitteltherapie und der erzielbaren Ergebnisqualität evaluiert werden. Die einfache und kontinuierliche Erfassung von Lebensqualitätsparameter durch Wearables und die Auswertung der großen, vom Patienten gernerierten Datenmengen weckt die Hoffnung auf neue, therapierelevante Erkenntnisse. Daher investieren Unternehmen wie Boehringer Ingelheim in BigData Spezialisten wie Inovalon, gerade wenn es um die Darstellung des Nutzens neuer Diabetestherapien geht.

Therapieadhärenz

Ziel: Arzneimitteleinnahme analysieren und identifizierte Anwendungsfehler durch geeignete Maßnahmen verhindern.

  • Novartis: Ein Sensor, der mit einem Pulverinhalator verbunden ist, zeichnet auf, wann und wie Arzneimittel zur Behandlung chronischer Atemwegserkrankungen vom Patienten angewendet werden. Auf diese Weise wird erkennbar, wie Inhalationstechnik, Dosierung und Anwendungshäufigkeit das Therapieergebnis beeinflussen. Nach GSK und Boehringer Ingelheim will nun auch Novartis dieses System in Europa nutzen. Die Therapiedaten sollen zukünftig über eine Plattform von Arzt und Patient gleichermaßen eingesehen werden können und zur Therapieoptimierungen und Patientenschulung beitragen. Der Sensor des Unternehmens Propeller Health, ist mit dem sog. Breezhaler, verbunden, einem Aufsatz, der das Arzneimittelpulver der verschiedenen Hersteller für die Inhalation durch den Patienten vorbereitet
  • Genentech: Arzneimittel zur Therapie der Multiplen Sklerose, die in der Einstellungsphase mit belastenden Nebenwirkungen verbunden sind, bedürfen einer engmaschigen ärztlichen Therapieführung, andernfalls kommt es zu Therapieabbrüchen.Ob sich die Patientenführung durch Videokonsultationen verbessern lässt, und welcher Nutzen damit für den Patienten verbunden ist, soll eine Studie untersuchen, mit der das Unternehmen Genentech Forscher der California University beauftragt hat.

Klinische Studien

Ziel: Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln besser erfassen durch passive Erhebung von Patientendaten mit Wearables und Apps.

  • Schmerzmanagement mit starken Opioiden. Purdue, der Anbieter des starken Opioids Oxycontin, will unterstützt durch Smartwatches analysieren, wie sich Lebensqualität, Schlaf- und Bewegungsverhalten unter der Schmerztherapie verändern und ob bzw. wie alternative Ansätze der nichtmedikamentösen Schmerztherapie das Therapieergebnis verbessern können. Unter Alltagsbedingungen sollen über 2 Jahre hinweg Patientendaten erfasst werden, viele davon passiv, so dass der Dokumentationsaufwand für den Patienten reduziert wird, was die Akzeptanz beim Patienten und die Aussagekraft der dokumentierten Daten verbessert.
  • Die Durchführung von Arzneimittelstudien mit Kindern ist besonders schwierig. Wearables, die Wirksamkeitsdaten passiv erheben können, tragen zur Entlastung der Kinder bei. Für Studien zur Behandlung des Muskelschwundes im Kindesalter nutzt Roche ein Wearable, das die Bewegungen von Brustkorb und Bauchdecke aufzeichnet und auf diesem Weg die Atem- und Lungenfunktion in Echtzeit analysieren kann (Wearable: BioRadio von NeuroTechnologies. Software zur Auswertung: VivoSense).
  • Veränderungen der Beweglichkeit von Parkinsonpatienten unter der Arzneimitteltherapie wird über einen Sensor erfasst, der in ein Pflaster eingebettet ist und vom Patient am Körper getragen wird.Bisher wurden Veränderungen der Beweglichkeit durch den Patienten eingeschätzt und z. B. über Fragebögen erfasst. Mit Hilfe des Sensors wird der Dokumentationsaufwand für den Patienten reduziert, die Beweglichkeit kann über einen längeren Zeitraum analysiert werden und bildet die Befindlichkeit unter Alltagsbedingungen ab. Wie zuverlässig die über den Sensor erhobenen Daten sind und wie gut sie mit den von Patienten und Therapeuten abgefragten Einschätzungen korrelieren, werden Studienergebnisse zeigen, die in diesem Jahr erwartet werden (Sensor: MC10, Pharmaunternehmen: UCB).
  • Takeda. Können die häufig wechselnden Symptome einer Depression mit Hilfe von Smartwatch und App, die kontinuierlich und passiv Daten aufzeichnen, besser eingeschätzt werden, als mit herkömmlichen Assessmentverfahren und der über Fragebogen erfassten Selbsteinschätzung von Patienten? Das ist eine Frage, die Takeda in Zusammenarbeit mit dem Startup Cognition Kit untersucht.

Marketing

Ziel: Nutzen einer Therapie zielgruppenspezifisch an Endverbraucher kommunizieren, Vermarktung von OTC-Produkten bzw. Messgeräten und Teststreifen unterstützen.

  • Sanofi Consumer Care: Um die Vorteile einer OTC-Therapie mit einem Antihistaminikum erfahrbar zu machen und auf diesem Weg die Nachfrage zu steigern, setzt Sanofi Consumer Care in einer Nutzerkampagne Wearables ein, die Schlaf und Aktivität von Allergiepatienten erfassen und zeigen, wie sich diese verändern durch eine medikamentöse Therapie der Symptome.

Kundengewinnung & Kundenbindung

Ziel: Kunden- bzw. Patientenzielgruppen mit Apps und Wearables binden, die für den Absatz von Arzneimitteln strategisch wichtig sind.

  • UCB bietet in den USA im Rahmen eines Pilotprogramms, Rheumapatienten das Fitnessarmband Garmin vivofit 2, mit dem Schlaf- und Aktivitätsdaten aufgezeichnet werden. Die Daten kann der Patient über die Online-Plattform Wellness4You verwalten und auswerten. Die Plattform bietet außerdem Aufklärungsmaterial und ermöglicht Patienten den Austausch mit anderen Betroffenen in einer Online-Community. Bisher nehmen 50 Patienten an diesem Pilotprogramm teil.
  • Die Sorgen junger Eltern verstehen, heißt für Johnson & Johnson, Anbieter von Pflegeprodukten für Babies, die Sorgen von Kunden ernst nehmen. Das erklärt den Schulterschluss mit Rest Devices, einem Unternehmen, das das Schlafverhalten von Babys mit dem Monitor "Mimo" aufzeichnet und über die App "Nod" auswertet und auf dieser Basis ein Coaching-Programm für Eltern anbietet.
  • Roche kooperiert mit MySugr, einer App zum Diabetesmanagement, die Daten aus vielen verschiedenen Blutzuckermessgeräten per Bluetooth übertragen kann. Durch die Kooperation mit Roche erhalten App-Nutzer nach dem Download von MySugr das Blutzuckermessgerät Accu-Chek von Roche kostenlos in der Arztpraxis (Europa) oder in der Apotheke (US). Im Gegenzug können die App-Nutzer die mit der App erfassten Daten mit der Online-Plattform von Accu Chek Connect synchronisieren und behandelnden Ärzten bzw. Diabetesberater Zugang zu diesen Daten geben, das ist der Anreiz, MySugr in Kombination mit Accu-Chek zu nutzen.

FAZIT:

Diese Beispiele vermitteln einen Eindruck davon, wie sich sowohl die Nutzenkonzepte von Arzneimitteln als auch die Kundenbeziehungen von Pharmaunternehmen zu Verbrauchern und Patienten durch die Digitalisierung zukünftig verändern werden. Viele Pharmaunternehmen bieten schon heute auch hierzulande Patienten und Verbrauchern Gesundheits- und Medizin-Apps, die als Companion die Selbstbefähigung zur Bewältigung chronischer Erkrankungen unterstützen (2). Noch sind diese Apps nicht in die Regelversorgung integriert, das erklärt, warum sie bisher therapiebegleitend von Patienten noch sehr zurückhaltend genutzt werden (3). Ihre Potential werden sie dann entfalten können, wenn die Integration der von Patienten generierten Daten in digitale Patientenakten durch entsprechende Rahmenbedingungen möglich wird, dann können Apps zeigen, ob sie als Bausteine in der Threapie die Individualisierung von Therapieansätzen unterstützen und die Arzneimittelsicherheit verbessern können (4).
Testberichte aller Pharma-Apps

Quellen:

  1. Pharma's digital moves in the first quarter of 2017 MobiHealthNews, 17. April 2017
  2. Marktreport Pharma-Apps, 12/2016
  3. Pharma-App: Multifunktionale Adhärenzhelfer mit Potential, März 2017
  4. Adhärenz 2020: Companion-Apps, Digital Coaches, Health-Bots, März 2017
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Dr. Ursula Kramer - Die Ap(p)othekerin bloggt auf HealthOn

DiGA-Expertin, Autorin, Beraterin

Die Vision eines gerechten, patientenorientierten Gesundheitssystems treibt die Ap(p)othekerin Dr. Ursula Kramer an. Digitalisierung sieht sie als Möglichkeit, diesem Ziel näher zu kommen. Seit 2011 testet sie Qualität, Sicherheit und Anwenderfreundlichkeit von Gesundheits-Apps, Medizin-Apps und Apps auf Rezept (DiGA). Sie will Transparenz schaffen und digitale Gesundheitskompetenz fördern. Sie teilt die Erfahrung aus der Analyse vieler tausender Gesundheits-Apps in der Beratung von Unternehmen, sie schreibt darüber im Blog auf HealthOn, hält Vorträge und erstellt wissenschaftliche Publikationen. Mehr zur Ap(p)othekerin Dr. Ursula Kramer...